Heute darf ich den Stift bzw. den Tastenanschlag mal wieder an jemand anderen weiterreichen: Hubert, bei Instagram auch bekannt als @herbhoodiny, nimmt euch in seinem Gastbeitrag mit in sein Leben. Ein Leben zwischen rosa Kleidern, Anathomie, Bücherwälzerei und ganz viel Familie. Studieren mit Kind. Lieber Hubert, die Bühne gehört dir 🙂
Als ich im Jahr 2009 mein sehr durchschnittliches Abitur mit 2,9 bestand, war ich sehr froh fertig zu sein, mein Traum eines Medizinstudiums rückte dadurch aber in ganz schöne Ferne. Ich machte mir viele Vorwürfe bezüglich meiner Disziplin in der Oberschule. Was ich aber recht schnell erkannte war – „Hätte, hätte Fahrradkette“. Mit 2,9 werde ich nicht in absehbarer Zeit Medizin studieren können. Schon gar nicht in Berlin. Nur so nebenbei – ein aktueller Kommilitone von mir hatte einen Schnitt von 0,7 (Ja das ist scheinbar möglich?!) und musste dennoch den Eignungtstest (HamNat) der Charité machen. Die Ernüchterung war also recht groß im Sommer von 2009.
Der aktuelle Stand, mit Hilfe der Warteliste einen Platz zu bekommen, bedeutete für mich etwa 7 Jahre Wartezeit. 7 lange Jahre. Was habt ihr so alles in 7 Jahren gemacht? Ein Studium oder Lehre beendet? Kinder bekommen? Eine Familie gegründet? Man schafft ganz schön viel in 7 Jahren. Ich habe meinen Traum nicht aufgegeben und all das in diesen 7 Jahren gemacht.
Zuerst beendete ich meine Lehre zum Krankenpfleger und fing in dem Beruf an zu arbeiten. 2014 läuteten für mich dann die Hochzeitsglocken und nur 2 Jahre später kam das beste Jahr meines Lebens – im Juni 2016 wurde meine Tochter geboren und einen Monat später bekam ich nach verflixten 7 Jahren Wartezeit meine Zusage der Charité Berlin Medizin studieren zu dürfen. Eine Achterbahn der Gefühle mit ganz vielen Loopings.„Hätteste nicht einfach was anderes studieren können?“ – „Ich hätte nicht so lange gewartet“, sind so die Sätze die ich regelmäßig höre. Aber wisst ihr was – wir haben nur eine Chance unser Leben ganz nach unseren Vorstellungen zu gestalten. Egal wie kitschig das klingen mag, meinen Traum gab ich nie auf und das Beste ist – ich lebe ihn jetzt.
Nun habt ihr sicherlich einen kleinen Eindruck gewinnen können, wer das hier eigentlich ist, der auf Pauls Seite ein paar Zeilen in Form eines Gastbeitrags schreiben darf. Natürlich lebe ich meinen Traum nicht alleine, denn es hilft ungemein, dass meine Frau Alina genau den gleichen Weg eingeschlagen ist. Ein Semester nachdem ich mit dem Studium angefangen habe, stieg auch sie mit ein. Aktuell befinde ich mich nun im 6. Semester und meine Frau im 5. Halbzeit quasi. Wir werden oft darauf angesprochen, wie wir so ein intensives Studium inklusive Kind überhaupt meistern. Dem kann ich nur entgegnen, wie meistern zwei Pflegekräfte in Vollzeit ihre Familien?
Rückblickend muss ich sagen, dass mir die 7 Jahre Wartezeit unheimlich gutgetan haben. Mehrere Jahre als Krankenpfleger gearbeitet zu haben, schenkten mir nicht nur wahnsinnig viel Erfahrung, ich weiß mein Leben als Student nun noch viel mehr zu schätzen. Natürlich verlangt das Studium uns mental alles ab, aber man darf auch all die Vorteile eines Studentenlebens nicht vergessen. Als Krankenpfleger hatte ich damals ungefähr 30 Tage im Jahr Urlaub. Als Student? Mehrere Monate im Jahr. Natürlich muss ich in den Monaten auch lernen und etwas für die Uni machen – aber das kann ich mir selbst einteilen. Zu Gute kommt das in erster Linie meiner Tochter. Mir fehlt es nie an Zeit oder Kraft etwas Tolles mit ihr zu unternehmen. Und obwohl ich nebenbei auch sehr viel arbeite, steht unsere gemeinsame Familienzeit immer an erster Stelle.
Natürlich gibt es auch die Prüfungsphasen. Da kann es dann auch mal anders aussehen und gerade da kommt es besonders darauf an, dass meine Frau und ich ein eingeschweißtes Team sind. Denn, wenn man nicht jede freie Minute zum Lernen nutzt, kann es in den Prüfungen immer mal ganz schön eng werden. Daher geben wir uns in den Wochen vor der Klausur oft fast nur die Klinke in die Hand, damit immer einer von uns mit der Kleinen ist. Da wir beide fast 30 sind und ein Kind haben, unterscheidet uns das von dem Großteil unserer Mitstudenten (ca. 330 Medizinstudenten pro Semester). Während viele andere um die 20 als Priorität Feiern, Schlafen und das Finden der großen Liebe haben, geht es bei uns um Zeitmanagement, Essen und naja eigentlich auch Schlafen. Nur rührt unser Schlafdefizit vielleicht aus einem etwas anderen Grund.
Wie in jeder Lebenslage, ob berufstätig oder als Student, das Gründen einer Familie ist immer eine Herausforderung. In meiner aktuellen Situation kann ich mir jedoch nichts Schöneres vorstellen. Und egal wie kitschig das vielleicht klingen mag – gebt euren Traum nie auf. Ein Kind macht das Leben nicht schwerer – es verändert und bereichert es. Worauf es ankommt ist, wie man seine Prioritäten legt und sich an den neuen Abschnitt im Leben anpasst. Nichts geht ganz, ohne auch das ein oder andere Opfer dafür zu bringen. Mein Partyleben ist vorbei. Die besten Noten werde ich auch nicht schreiben. Aber das ist völlig ok für mich. Die Party ist, wenn ich zum 10. Mal hintereinander mit meiner Tochter die Rutsche runter darf und eine 3.0 in Biochemie ist für mich wie eine 1.0 für so manch anderen Jahrgangsbesten. Ich habe im Laufe des Studiums diese Prioritäten für mich erkannt und sowas wie eine Balance gefunden. Mal ist es schwerer und mal super leicht, aber alles in allem genieße ich jeden Tag.
Ihr kennt es sicherlich selbst, wenn du jahrelang für etwas sparst und es dir kaufst, wird es wie dein größter Schatz. Kaufst du es im Sale – geht man damit vielleicht ganz anders um. Für dieses paar Schuhe sparte ich 7 Jahre und was soll ich sagen – es ist das bequemste Paar der Welt und ich genieße jeden Schritt, den ich in ihnen Laufen darf.
Euer Hubert