Heute schreibe ich meinen wohl emotionalsten Reisebericht. Kein Auflisten von Hotelmerkmalen und Dingen, die man in der Umgebung unternehmen kann. Sondern ein Bericht über eine Reise, die mich so unglaublich verändert und gestärkt hat. Der Besuch bei meinem Patenkind in Indien.
Mit einer Patenschaft haben wir uns schon oft beschäftigt. Ihr wisst sicher, dass es Themen gibt, die immer wieder auf dem Tisch liegen, jedoch nie eine finale Lösung finden oder? Es bleibt ein stetiges “wir wollten doch” und “was ist jetzt damit”. Genau so ein Thema war die Patenschaft eines Kindes. Viele Jahre, im Nachgang viel zu viele Jahre, sind ins Land gezogen, bis wir uns endlich zu einer Patenschaft entschließen konnten.
Jetzt haben wir ein Patenkind
Wir haben voller Freude die Patenschaft für einen kleinen Jungen in Indien übernommen. Nachdem man eine Patenschaft übernommen hat, erhält man Informationen zu dem Kind das man unterstützt. Auch ein Foto liegt bei, so dass man ein viel persönlicheres Bild davon bekommt, wen man da eigentlich unterstützt. Unser Patenkind ist ein 3-jähriger Junge mit riesigen dunkelbraunen Kulleraugen. Er hatte sofort unser Herz gewonnen. Vielleicht war eine sofortige Verbindung da, weil unser Jüngster auch 2,5 Jahre alt ist und wir sofort unseren Beschützerinstinkt haben aufschreien lassen. Unser Patenkind ist mit seiner Heimat Indien so fern, jedoch stellt ein Photo eine sofortige wunderbare Verbundenheit dar.
Meine Patenreise nach Indien
Bei einer Patenschaft steht immer die Frage im Raum, ob man das eigene Patenkind wohl jemals treffen wird. Wie wird es sein? Ist es ein fröhliches Kind? Wer sind seine Freunde? Wie geht es seinen Eltern? Das sind all’ die Fragen, die mit einer angenommenen Patenschaft sofort aufkommen. Und World Vision bietet die großartige Möglichkeit einer Patenreise und ich habe sie ergriffen. Im November 2019 ging es für mich nach Indien.
Vorab gab es natürlich viele Gespräche mit meiner Familie. Speziell unserem großen Sohn wollten wir, so wie wir es ohnehin schon immer machen, vermitteln, dass es uns so gut geht, dass wir davon etwas abgeben können und auch wollen. Und zwar voll und ganz auf Augenhöhe. Er hat viele Fragen gestellt. Wir haben versucht immer eine Antwort zu haben. Haben besprochen, ob es für uns als Familie passt, dass ich für fast 3 Wochen in Indien bin.
Aber vor allem haben wir besprochen, dass es ab jetzt einen mehr in unserer Familie gibt und wie wir uns damit fühlen. Und so haben wir gemeinsam entschieden, dass ich diese Reise nach Indien antreten werde und die großartige Chance nutze.
Eine Indien Rundreise mit dem schönsten Ziel
Das Abenteuer startet in Delhi. Fast 3 Wochen durch ein mir völlig fremdes Land. Alle Impfungen erledigt, einen großen Reiserucksack gepackt und mit, für mich ungewohnter, Nervosität gestartet. Auf der Patenreise wurden drei indische Dörfer besucht. Und in jedem Dorf leben Patenkinder der Reiseteilnehmer. Ihr merkt sicher schon, dass diese Reise eine emotionale Achterbahnfahrt für mich war. Aber genau darum ging es mir. Nicht nur von außen zu betrachten, sondern vor Ort zu sein. Zu spüren, wie hier das Leben läuft. Denn sind wir mal ehrlich, wir sitzen hier in Deutschland doch alle unter einer sehr beschützenden Kuppel.
Neben dem Besuch der Dörfer, führt uns die Rundreise auch zu beeindruckenden Sehenswürdigkeiten und zu den Stätten des UNESCO- Weltkulturerbe. Den Taj Mahal kannte ich bislang nur von Postkarten oder aber als kleinteiliges Bauwerk eines großen Spielzeugherstellers. Ein gigantisches Bauwerk mit einer immens großen Bedeutung für die Bevölkerung. Einheimische und Besucher nehmen stundenlanges Warten in Anspruch, um den Tempel zu besuchen und dort zu beten. Ich habe genau in solchen Moment erfahren können, welchen Ursprung die Bräuche und Traditionen der Bewohner im Norden Indiens haben. Vor Ort zu sein und das Leben zu spüren.
Mein Besuch in Bundi
Das persönliche Ziel meiner Reise ist das Dorf Bundi. Dort lebt unser Patenkind. Er lebt dort mit seinen Eltern in einer kleinen Lehmhütte. Er spielt gern Fußball und liebt Autos. Vor Antritt meiner Reise erreichte mich ein Brief mit einem gemalten Bild und ein paar “Fakten” über ihn. Die Namen seiner Eltern, wo er lebt, was er besonders mag und was er sich wünscht. Was ich im Gepäck hatte, muss ich nicht sagen oder?
Ich kann meine Anspannung vor diesem Besuch jetzt gar nicht mehr recht in Worte fassen. Es war so eine Mischung aus Neugier, Respekt und auch ein wenig Angst. Wie wird er reagieren? Wie werde ich reagieren? Ich trete nicht nur in das Leben dieser Familie, sondern auch in ihren Lebensraum. Vorab wurde uns allen natürlich mit auf den Weg gegeben, welche Gepflogenheit so ein Besuch mit sich bringt. Das bewahrt einen jedoch nicht davor, dass dieser erste Schritt etwas völlig unkontrollierbares für einen wird.
So viel Herzenswärme
Der Moment als ich den kleinen dort stehen sah war unglaublich. Sein Vater hielt ihn an der Hand und beide gaben mir ein vorsichtiges aber so warmes und sicheres Lächeln entgegen, dass ich sofort sicher war, dass es gut laufen wird. Wir werden uns verstehen und uns gut tun an diesem Tag. So blöd dieser Satz klingt, aber genau darum geht es doch. Wir wollen eine Verbindung herstellen. Beide Seiten möchte verstehen, wer der andere Mensch ist. Man möchte sich austauschen und diese Verbindung im besten Fall vakuumieren und für immer bei sich tragen.
Und genau dies habe ich getan. Wir haben wundervolle Moment miteinander gehabt. Unglaublich viel gelacht. Seine tiefbraunen Knopfaugen haben so unendlich gestrahlt. Überhaupt kann ich sagen, dass ich auf der gesamten Reise die gesamte Palette zwischen Arm und Reich erlebt habe. Und zwar in einem Ausmaß, welches ich in Deutschland noch nie so gesehen haben. Und trotzdem, und das finde ich so beeindruckend, sieht man in Indien so viele glückliche Menschen. Sie führen ihr Leben mit einem stetigen Lächeln. Die meisten von ihnen in ständiger Armut und absolut schlechten Verhältnissen – in jeder Hinsicht. Und trotzdem lachen sie und sind von einer durchweg positiven Einstellung getrieben. Das habe ich in Deutschland so nie wahrgenommen. Wir sollten mehr lachen und die Freude in den kleinen Dingen sehen. Auch, wenn etwas nicht gut ist, daran denken, was aber alles ganz wunderbar ist.
Wir haben Fußball gespielt und haben Rennen mit seinen neuen Autos gestartet. Immer mit den dankbaren Augen seinen Vaters im Rücken. Es tut gut Gutes zu tun. Aber es fühlt sich noch besser an, wenn man es auf Augenhöhe tut. Ich hoffe, ich kann irgendwie vermitteln, was genau ich damit meine. Wir haben viel gelacht und genauso viel geweint. Darüber, dass wir uns kennenlernen durften, darüber was noch alles getan werden muss und woran es fehlt und darüber, dass wir nun für immer miteinander verbunden sind. Dankbarkeit auf beiden Seiten. Das schönste Gefühl überhaupt.
Dankbarkeit auf beiden Seiten
Und genau dieses Gefühl habe ich mitgenommen. Rückblickend auf die Reise, kann ich nun sagen, dass man mir im Oktober 2019 jedes Bild hätte zeigen können. Ich würde jedes Kind unterstützen ohne zu hinterfragen, für wen es am notwendigsten oder wichtigsten ist. Denn ich habe kein Kind gesehen, welches keine Unterstützung benötigt. Egal auf welchem Gebiet: Gesundheit, Ausstattung mit Schulmaterialien, eine Matratze im Kinderzimmer oder die Sicherstellung der Wasserversorgung im elterlichen Haus. So viele Dinge, welche für uns selbstverständlich sind.
Wir stehen weiterhin in Kontakt zu unserem Patenkind. Um es kurz zu fassen: Wir sind jetzt einfach einer mehr 🙂 In regelmäßigen Abständen senden wir Dinge, die vor Ort benötigt werden. Manchmal sind es kleine Spielsachen und manchmal Dinge für den Haushalt. Und manchmal ein Bild von seiner Familie am anderen Ende der Welt.